50 Jahre IT

Die folgenden Skizzen sind der Versuch darzustellen, wie ich die Entwicklung der Datenverarbeitung über 50 Jahre erlebte. Die Sammlung ist noch nicht vollständig. Ich hoffe, daß ich die Zeit habe, die Zeitspanne insgesamt darzustellen. Von Zeit zu Zeit werde ich die Seite ergänzen.

 

50 Jahre in der Datenverarbeitung

Im März 1958 begann meine aktive Zeit in einer Welt, die damals nicht ahnen ließ, wohin sie sich entwickeln würde. Ich begann eine Tätigkeit als BOT bei der EXACTA in Köln, aus der später die BULL Deutschland GmbH hervorging. Mir wurde beim Einstellungsgespräch zwar gesagt, daß BOT die Abkürzung für Büro Organisations-Techniker war, was sich jedoch konkret hinter dieser Berufsbezeichnung verbarg, war nicht nur mir unbekannt.

Jetzt, 50 Jahre später und zwei Jahre nach dem ich meine aktive, berufliche Arbeit zurückgefahren habe, will ich die frei gewordene Zeit nutzen, um über mein Leben mit und in der Computertechnik zu berichten. 

Und so fing alles an:

Es muß 1955 gewesen sein, als ich zum erstenmal etwas von programmgesteuerten Rechenautomaten und Lochkartenmaschinen hörte. Aus dieser Zeit besitze ich heute noch ein Papier, das sich mit der Programmierung der Zuse Z22 und IBM 650 beschäftigt. Es war keine Unterlage für eine Vorlesung, sondern eine Unterlage für eine Arbeitsgruppe, die sich außerhalb des normalen Lehrbetriebs an der Universität Köln traf. Es hatte sich ein privater Arbeitskreis an der Uni in Köln gebildet, der sich mit diesen neuen Automaten beschäftigte. Damals konnte sich keiner vorstellen, daß heute an allen Universitäten die unterschiedlichsten Lehrstühle für Informatik vorhanden sein würden.

Zu dieser Zeit las ich das Buch von Robert Jungk „Heller als tausend Sonnen“. Er berichtete darin, daß die Atombombe ohne die Nutzung von Rechenautomaten in dieser Zeit nicht möglich gewesen wäre. Dabei bediente er sich eines Wortspiels als er den Rechner ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Calculator ) mit MANIAC (Verrückter) bezeichnete. R. Jungk´s Einschätzung des Rechners hat sich bis heute bei vielen Zeitgenossen noch nicht geändert.

 

  • Im Anfang war die Mathematik.
  • Beim Aufräumen meiner alten Unterlagen stieß ich auf ein vergilbtes Papier. Es muß mehr als 50 Jahre alt sein und war anscheinend mit dem damaligen üblichen Umdruckverfahren erstellt worden. Sein Titel lautet: Kurze Einführung in die Programmierungstechnik. Zwei Rechner werden in dem Papier genannt: die IBM 650 und die Zuse Z22. Beide Maschinen wurden in der ersten Hälfte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts gebaut.
  • Auffallend ist, daß alle damaligen Übungsbeispiele aus der Mathematik stammen. Es waren geometrische Reihen und Funktionen zu berechnen. Die Berechnung von e-Funktionen und Wurzeln setzten voraus, daß die Formeln bekannt sind, mit denen schnell und annähernd genau  die Funktionswerte ermittelt werden können. Die Beispiele zeigen deutlich, daß die Computer im originären Sinn des Wortes als Hochleistungsrechner genutzt wurden. Daß die Nutzer und Bediener der Computer damals vorwiegend Mathematiker waren, lag nicht am Computer, sondern an den ersten Anwendungen. Die ersten Anwendungen ersetzten den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren die Rechenschieber. Diese Nutzer programmierten ihre Anwendungen selber. Für sie stellte sich die Programmierung als eine neue Art von Algebra dar. Entwicklung der Aufgabenstellung und Umsetzen in den Maschinencode lagen in einer Hand. Da noch im reinen Maschinencode programmiert werden mußte, Assembler und die höheren Programmiersprachen mußten noch erfunden werden, mußte das Binärsystem beherrscht werden. Auch dies war wieder ein Wissen, daß zu der damaligen Zeit nur den Mathematikern zugänglich war.

    Bei dem Trommelrechner IBM 604 kam hinzu, daß er keine streng serielle Befehlsfolge hatte. Ein Befehl bestand aus drei Elementen: dem Operator (z.B. Addieren), der Adresse des Operanden und der Adresse, in der der nächste Befehl gespeichert war. Um die Geschwindigkeit der Trommelrechner zu optimieren, mußte der nächste Speicherort in Abhängigkeit von der Dauer der Operation und der Umdrehungsgeschwindigkeit des Trommelspeichers ermittelt werden. Auch dies war eine Aufgabe, für Mathematiker, denen solche Kalkulationen leichter von der Hand gingen als anderen Mitarbeitern in den Unternehmen.

    Vielleicht war es auch der Instinkt der damaligen Mathematiker sich ein zusätzliches Arbeitsfeld zu sichern. Damit übertrugen sie den Respekt, mit dem sie als Berufsstand behandelt wurde, auf die neue Maschine.

    In der heutigen Zeit werden die Computer vorwiegend nicht mehr als Rechner genutzt. Ihre Aufgabe ist primär das Datenmanagement. Die Anwendungsgebiete sind breit gestreut und in den meisten Anwendungen finden wir nur die vier Grundrechnungsarten als einzige Verbindung zur Mathematik. Aber Rechnen wird ja heute bereits mit Mathematik gleichgesetzt.

    Als Remington noch keine Rasierer baute.

  • Im Rahmen eines Seminars für Sozialversicherung besuchten wir die Rentenberechnungsstelle der Deutschen Post in der Schildergasse in Köln. Der Maschinensaal der Rentenberechnungsstelle war auf der ersten Etage eines Geschäftshauses.
  • Ich kann mich daran erinnern, daß in dem Maschinensaal ein ratternder Lärm war. Dieser wurde durch mehrere Lochkartenmaschinen erzeugt. Das Besondere dieser Lochkartenmaschinen war, daß sie vollmechanisch arbeiteten. Die Lochkarten, die bei Remington im Gegensatz zu den damaligen IBM Karten, runde Löcher hatten, wurden durch Stifte abgefühlt, die an Bowdenzügen befestigt waren. Fiel ein Stift durch ein Loch in der Karte. Mit dem daran hängenden Bowdenzug wurde der Druck einer Ziffer bzw. die Addition einer Zahl ausgelöst. Die Wertigkeit der Löcher ergab sich aus ihrer Position in der Karte. Die Lochkartenmaschinen konnten zu dieser Zeit maximal 6000 Karten, die nur Zahlen enthalten konnten, in der Stunde verarbeiten. Alfa-Texte zu drucken war nicht möglich. Somit konnten auch von der Post damals noch keine Rentenbescheide an die Versicherten erstellt und versandt werden. 

    Woran ich mich heute nicht mehr erinnern kann, ist, ob die Ren-tenrechenstelle damals bereits über einen der ersten elektronischen Computer verfügte. Ich vermute, daß dies nicht der Fall war, da der erste Computer von Remington, ein UNVIAC I Model, erst Ende 1956 in Deutschland beim Battelle-Institut in Frankfurt installiert wurde.

    Es können also aus heutiger Sicht nur ganz einfache statistische oder buchhalterische Arbeiten gewesen sein, für die die klotzigen Lochkarten-Maschinen genutzt wurden.

    Gegen Ende meines Studiums hatte ich eine Arbeit als Versicherungsmathematikers bei einer Lebensversicherung angenommen. Mit Handkurbelrechenmaschinen berechneten wir Angebote, Umwandlungen, Storni etc. Insgesamt keine sonderlich anspruchsvolle Tätigkeit, die ein langes mathematisches Studium erfordert hätte.

    Eine Werkstudentin machte mich Ende 1957 darauf aufmerksam, daß in Köln eine Büro-Maschinenfabrik den Vertrieb von Lochkartenmaschinen und Rechnern einer französischen Firma, der Compagnie de Maschines Bull, übernommen habe und diese u.a. Mathematiker suche. Zur selben Zeit erschienen immer wieder Stellenanzeigen, in denen die IBM Mathematiker für ihre neuen Rechner suchte.

    Da damals meine Tätigkeit in der mathematischen Abteilung einer Lebensversicherung keine Veränderung in meiner Arbeit auch auf lange Zeit hin zuließ, bewarb ich mich sowohl bei der IBM in Sindelfingen als auch bei der EXACTA in Köln-Mühlheim.

    Think

    Gegen Ende des Studiums der Versicherungsmathematik besuchten wir im Verlauf einer Exkursion die Rentenstelle der Post.

    Dort standen Lochkartenmaschinen der Fa. Remington Rand, auf denen die Zahlungsanweisungen zur Rentenauszahlung an den Postschaltern gedruckt wurden. Der Bargeldlose Zahlungsverkehr war noch nicht erfunden.

    Dieser Besuch und die freiwillige Arbeitsgemeinschaft für Computer an der Uni hatten mich neugierig gemacht. Dagegen verblaßten die monotonen Berechnungen von Rückkaufswerten und Vertragsumwandlungen.

    Ende 1957 war dann der Entschluß gefaßt, sich in der neuen Branche zu bewerben. Zwei Firmen standen bei mir zur Wahl: die Vertriebsgesellschaft der französischen Bull in Köln und die IBM in Sindelfingen.

    Das erste Vorstellungsgespräch fand Mitte Januar in Sindelfingen auf der Schwäbischen Alb statt. Ich fuhr die Nacht durch mit dem Zug nach Stuttgart und dann mit dem Bus nach Sindelfingen. Während in Köln schon die Schneeglöckchen blühten, empfing mich dort ein kalter Wintertag und knatternde US-Panzer zogen neben dem Gebäude – ich glaube es waren noch einfache Baracken - ihre Übungsrunden.

    Von dem Gespräch, das man mit mir führte, ist mir nur noch soviel in Erinnerung geblieben, daß mehr über das Haus IBM gesprochen wurde als über den Background des Bewerbers. Bei dem anschließenden Rundgang durch die Montageräume passierte dann das Entscheidende. Wir gingen auf eine Durchgangstüre zu über der groß „THINK“ stand. Das Schild fazinierte mich so, daß ich nicht darauf achtete, daß unmittelbar hinter der Türe eine Schwelle war. Mit Mühe konnte ich verhindern, daß ich hinschlug. Dieses Stolpern war der Grund, weshalb ich nicht zur IBM ging. Denn, so überlegte ich, was ist das für ein Unternehmen, das statt Achtung Schwelle „THINK“ über die Türe schrieb.

    Anders verlief die Bewerbung bei BULL. Weil man zu dieser Zeit keine Erfahrungen in dem Bereich der Lochkarten und Computer erwarten konnte, versuchte BULL die Fähigkeit der Bewerber in der logischen Analyse zu testen. Für vorgegebene Reihen aus Bildern, Zahlen und Begriffen mußte man die Beziehungsregeln erkennen und die Folgen über einige Glieder fortführen. Wer nicht mindestens 15 von 20 möglichen Punkten erreichte, wurde erst gar nicht zu einem persönlichen Gespräch geladen.

    Für mich war es klar, daß ich das Angebot der kleineren BULL und nicht der damals schon meinungsführenden IBM annahm.

    Die 15 von 20 Punkte Regelung begleitete einen während der gesamten sechsmonatigen Probezeit oder besser gesagt, der Ausbildungszeit. Es wurden mindestens 10 Klausuren und eine Abschlußarbeit geschrieben. Man mußte hier selbst seine Ideen erarbeiten, denn eine einschlägige Fachliteratur war noch nicht vorhanden. Für mich war allerdings von Vorteil, daß ich mir beim Studium der Mathematik mir logische Denkstrukturen angeeignet hatte.

    Zusammenhänge erkennen, war gefragt

  • Wie wurden eigentlich in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts die ersten Fachkräfte für die ersten Maschinen gefunden, aus denen sich dann im Laufe der Jahrzehnte die heutigen Großrechenanlagen und PCs entwickelten?
  • Es war die Zeit, in der nur wenige in Deutschland schon einmal den Namen Hollerith gehört hatten. Die Marken IBM, BULL und Remington waren nur einigen Eingeweihten bekannt.

    In dieser Zeit hörte ich von Studienfreunden, daß eine Firma EXACTA als deutsche Vertretung der französischen Firma, Compagnie de Maschine Bull, in Köln Mitarbeiter sucht, die in der Lage wären, komplizierte Lochkartenmaschinen und angeschlossene Rechner zu bedienen, zu schalten und zu verkaufen. – Das Wort Programmierer war zu der Zeit ebensowenig bekannt wie Hard- und Software. –

    Berufsbilder für den Bereich der neuen Organisationstechniken gab es noch nicht. Erst recht hatte noch keine Universität einen Lehrstuhl für diese junge Anwendungstechnik. Es wäre auch damals keiner auf den Gedanken gekommen zu vermuten, daß sich hier ein ganz neuer Wissenschaftszweig auftun würde.

    Da man in den ersten programmgesteuerten Anlagen, wie z.B. die Z22von Zuse oder die IBM650, nur reine Rechner zur Lösung komplizierter mathematischer Formeln sah, neigte man zu der Annahme, daß Mathematiker auch die richtigen Voraussetzungen für den Umgang mit den neuen Maschinen mitbringen würden.

    In dem Vorstellungsgespräch bei der EXACTA wurde zwar positiv vermerkt, daß ich Mathematik studierte, dennoch mußte ich mich wie alle anderen Bewerber einem schriftlichen Test unterziehen.

    Für den Test erwartete ich, daß allgemeines und kaufmännisches Wissen und vielleicht auch mathematische Kenntnisse abgefragt würden. Der Test bestand jedoch nur aus drei Bögen, in denen die Fähigkeit abgefragt wurde, Zusammenhänge zu erkennen. Auf den Blättern waren Folgen von Formen, Zahlen und Wörtern vorgegeben. Die Formen und Zahlen zeigten Reihen, in denen die Folge der einzelnen Glieder einer Gesetzmäßigkeit unterlag. (Beispiel: …1, 2, 3, 5, 8, 13, …….. ist nach rechts um drei Glieder fortzuführen; = 21, 34, 55.) Bei dem Worttest waren Begriffe zu erkennen, die nicht zu der Reihe der vorgegebenen Wörter gehörten. (Beispiel: Wald, Bäume, Feld, Stadt, Wiese; Ergebnis: Bäume)

    Von der Systematik her kann man den damaligen Test mit den heutigen IQ-Tests im Internet vergleichen.

    Wir stellten damals fest, daß die spätere berufliche Entwicklung den Testergebnissen bei den Einstellungsgesprächen entsprach.  (Wir konnten jedoch den Test nie dahingehend prüfen, ob die wegen schlechter Tests abgewiesenen Bewerber nicht dennoch gute Mitarbeiter geworden wären.)

    Erst am Ende der Schulung winkte die feste Einstellung.

  • Wer bei der EXACTA die Einstellungstests erfolgreich absolviert hatte, erhielt keinen festen Arbeitsvertrag. Man erhielt lediglich eine feste Option auf einen Arbeitsvertrag, sofern der Kandidat eine 6-Monatige Grundschulung mit einem Ergebnis von mindestens 15 Punkten von möglichen 20 abschloß. Ein vernünftiges Gehalt gab es jedoch bereits während der Schulungszeit.
  • Die Schulung bestand aus zwei vierwöchigen Ganztagsschulungen, die durch ein viermonatiges Praktikum bei einem der ersten Kunden unterbrochen wurde.

    Lehrstoff waren das Schalten von Tabellier- und Sortiermaschinen, Kartenmischer und das Programmieren der ersten elektronischen Geräte von Heinz Nixdorf, dem Elektronen-Saldierer und Elektronen-Multiplizierer. 

    Das Schalten der damaligen Maschinen hat wenig mit dem Programmieren von heute gemein. Der wichtigste Unterschied ist, daß es keine seriell ablaufenden Befehle und Wertespeicher außerhalb der Rechenwerke gab. Wenn z.B. ein Text aus einer Lochkarte gedruckt werden sollte, so konnte das nur zeitgleich mit dem Durchlaufen der Lochkarte unter einer Lesestation erfolgen. Steuerungen von Daten, was damals lediglich auf das Unterdrücken oder Stellenversetzen von Werten aus den 80-stellingen Lochkarten beschränkt war, erfolgten über elektromechanische Relais. 

    Die Befehle wurden dadurch realisiert, daß zwei oder mehr Buchsen auf einer Schalttafel mit mehr als 2000 Buchsen über einen Draht verbunden wurden.

    Die geringen Möglichkeiten in der Gestaltung von Ergebnissen führten zu einer starken Konzentration auf die wesentlichen Ergebnisse einer Organisation.

    Das viermonatige Praktikum diente vor allem dazu, die Arbeit an den Lochkartenmaschinen in der Praxis bei Kunden zu lernen. Da die Kunden, bei denen wir eingesetzt wurden, selber noch in der Einführungsphase waren, war die Herausforderung – so würde man heute sagen – für die Praktikanten besonders groß. Es galt, daß theoretische Wissen ohne Gesichtsverlust für den Arbeitgeber in erfolgreiche Praxis umzusetzen.

    Ich mußte mein Praktikum bei einer badischen Sparkasse machen, die erst wenige Wochen zuvor noch Kunde bei der IBM war. Der Vorteil der BULL-Anlage für die Kasse war, daß auf der Kombination von Lochkarten-Sortiermaschine und NIXDORF Elektronen-Saldierer die Saldenkontrolle des Buchungsstoffes mit einer Geschwindigkeit von ca. 40.000 Buchungen erfolgen konnte. Die IBM benötigte für die gleiche Arbeit etwa das Vierfache an Zeit. Ferner konnten die BULL-Tabelliermaschinen durch den Anschluß eines NIXDORF Elektronen-Multiplizierer die Zinsstaffeln der Sparkasse um ein vielfaches schneller erstellen als die IBM mit ihren damals noch mechanischen Rechnern.

    Das Handling mit den Lochkarten mußte geübt werden. Wurden die Karten nicht genau ausgerichtet in den Kartenschacht eingelegt, so führte dies zum sogenannten Kartenstau, bei dem auch Lochkarten zerrissen werden konnten.

    Eine häufige und wichtige Arbeit war das Sortieren der Lochkarten auf den sogenannten Sortiermaschinen. Um Lochkarten  nach einem 5-stelligen numerischen Begriff zu sortieren, mußten die Karten fünfmal durch den Sortierer laufen. Für jede Dezimalstelle war ein Durchlauf des gesamten Kartenpaketes notwendig. Jeder Durchlauf entsprach einer Zehnerstelle und trennte die Karten für diese Stelle nach den Werten von 0 bis 9 in 10 Stapel. Wurde dann z.B. einer dieser Stapel in der Reihenfolge vertauscht war die ganze Sortierung falsch.

    Eine neue Arbeit auf den Tabelliermaschinen anzufangen bedeutete, daß die bis zu ca. 20 Kg schweren Schalttafeln gewechselt werden mußten und die Formulare auf den Druckeinrichtungen gewechselt und neu justiert werden mußten. Bei einer solchen Arbeitsumstellung stieß ich dann einmal eine offene Flasche Milch, die verbotenerweise auf der Tabelliermaschine stand, in den Schacht für die Lochkarten. An ein Weiterarbeiten konnte erst gedacht werden, nachdem der BULL-Techniker die Kartenleseeinheit getrocknet und gereinigt hatte. Als nach dieser aufwendigen Maßnahme die Arbeit aufgenommen werden sollte, brachte die Maschine völlig falsche Ergebnisse.

    Also schloß der Techniker, daß die Milch noch weiteren Schaden angerichtet hatte. Er vermutete die Fehlerursache auf der rechten Seite der Maschine, in die die Milch gelaufen war. Nach einer vergeblichen Fehlersuche über mehr als eine Stunde, gab ich dem Techniker den Tip, doch einmal nachzusehen, ob die Schalttafel richtig eingesetzt sei. Er ging darauf widerwillig an das andere Ende der Maschine, wo die Schattafel saß. Dort fand er dann endlich den Fehler. Beim Wechsel der Schalttafel hatte sich eine wichtige Kontaktlamelle verbogen. Dieser Fehler stand in keinerlei Verbindung der von mir verschütteten Milch. Ich bin heute noch davon überzeugt, daß dieser Fehler am anderen Ende der Maschine verhindert hat, daß meine hoffnungsvolle Berufskarriere in der Datenverarbeitung frühzeitig beendet wurde.

    Ich lernte daraus, daß die Ursachen für Fehler nicht immer da zu suchen sind, wo der gesunde Menschenverstand sie vermutet.

    In den letzten vier Wochen der Ausbildung wurden wir mit Randmaschinen der Lochkartentechnik vertraut gemacht. Wir erhielten aber auch die ersten Einführungen in speicherprogrammierte Rechner. Für BULL war das der Gamm3. Das Speichermedium dieses Rechners waren die heute nicht mehr bekannten Nickelverzögerungslinien. Kernspeicher, Transistoren, Magnetbänder und –platten waren noch nicht bekannt. Ebenso waren Betriebssysteme, Programmiersprachen mit Compiler etc. nicht entwickelt.

    Am Ende  der 6-monatigen Schulung entschied das Teilnahme Ergebnis über den weiteren Berufsweg. Nur die Teilnehmer, die die Schulung mit 16 und Mehr Punkten abschlossen, erhielten einen festen Arbeitsvertrag bei der EXACTA. Die Absolventen mit einer Punktzahl von 10 bis 15 wurden an die Kunden der EXACTA vermittelt und dort gerne genommen. Wer nicht mindestens 10 Punkte erreicht hatte, mußte sich selber einen neuen Arbeitsplatz suchen.

    Ich selber hatte mir ein sehr gutes Ergebnis erarbeitet und erhielt einen Arbeitsvertrag bei der EXACTA.

    Als der Geist noch durch die Löcher wehte und mit der Lampe getestet wurde.

  • Wenn man heute sagt, daß man seit 1958 in der Datenverarbeitung aktiv tätig ist, so haben die ersten Jahre wenig mit der heutigen Computerzeit gemein. Es gab zwar schon Apparate, die man Computer nannte. Diese standen jedoch fast ausschließlich in den wissenschaftlichen Labors und nahmen den Mathematikern die rechnerische Routine ab.
  • Die Unternehmen, in denen gleichartige Massenarbeiten anfielen, allen voran die Versicherungen mit ihrem Inkasso, nutzten zunächst die Lochkartenmaschinen. Drei Anbieter gab es auf dem Markt: IBM, Remington Rand, und BULL.  Remington Rand war Ende der 50er Jahre bereits abgeschlagen, weil deren Technik der mechanischen Bowdenzüge zur Steuerung der Abläufe bereits durch die Elektromechanik bei IBM und BULL abgelöst wurde.

    Die Vorteile, die die Lochkarten brachten, waren ihre Sortierbarkeit und die Fähigkeit bis zu 80 Zeichen über lange Zeiträume maschinell lesbar zu speichern.

    Die Verschlüsselung der Informationen erfolgte durch Löcher in der Lochkarte, so daß zu einem bestimmten Zeitpunkt diese Löcher einen Stromfluß in der Maschine freigaben. Hier wurde die Information durch das Nichts, d.h. durch ein Loch in der Karte definiert und festgehalten.

    Um den Stromfluß zu kontrollieren, nutzte man Testlampen, wie sie heute noch beim Autobastler üblich sind. So konnte man zum Beispiel feststellen, ob auch ein Strom floß, als die „Nullochung“ unter der Lesestation lag.

    Eine Programmierung im heutigen Sinn gab es nicht. Für den Druck des Inhaltes einer Lochkarte gab es keinen move oder print Befehl. Alle Anweisungen zu dem Programmablauf wurden auf einer großen Schalttafel gesteckt, die bis ca 3500  Steckbuchsen hatte. 80 Buchsen gaben z.B. die Impulse weiter, die durch die Löcher in einer 80stelligen Lochkarte freigegeben wurden. Ein solcher Leseimpuls mußte dann auf die Eingangsbuchsen des Schreibwerkes im wahrsten Sinne des Wortes gestöpselt werden.

    Die Programmierer hießen damals noch nicht Programmierer, sondern Schalttechniker. Ihre Aufgabe war es, die Leseimpulse von den Lochkarten auf die Drucker, Zählwerke oder Steuerrelais zu schalten.

    Steuerrelais ermöglichten es, bestimmte Standardfunktionen in der Anlage um zu steuern. Ein typisches Beispiel dafür ist das Subtrahieren. Eine bestimmte Lochung in der Lochkarte signalisierte, daß die gestanzte Zahl negativ war. Dieser Signalstrom wirkte nun auf ein Relais, so daß das Zählwerk negativ zählte. Achtete man nicht darauf, daß ein Steuerimpuls kürzer war als der zu steuernde Impuls, so hatte dies für den Programmablauf die gleiche Wirkung, als wenn bei der Eisenbahn die Weiche umstellt gestellt wird,  während ein Zug noch darüberfährt. Die letzten Wagen fahren in die falsche Richtung.

    Die Erstellung der Schalttafeln für die Tabelliermaschine – so hießen die zentralen Maschinen für die Auswertung der Lochkarten- war wesentlich schwieriger als die lineare Programmierung der Computer. Hier mußten echt parallel zwanzig und mehr Funktionen gesteuert werden, ohne daß die Gleichzeitigkeit zu Fehlsteuerungen führte.

    Während meiner Ausbildung hatte ich eine bestehende Schalttafel für den Druck eines Kontoauszuges nach zu stecken, d.h. zu kopieren. Als mein Ausbilder meine kopierte Tafel sah, war er ganz und gar nicht mit meinem „Schlangensalat“ zu frieden. Ich mußte daraufhin alle Strippen wieder ziehen und nach Größen und Farben sortieren. Dies dauerte alleine einen halben Tag. Dann zeigte er mir, mit welcher Systematik die Verbindungen herzustellen seien, damit spätere Bearbeiter sich nicht die Fingernägel abbrechen müßten.

    Der Start in eine unbekannte Arbeitswelt.

  • Als ich mich 1958 bei der damaligen EXACTA, der deutschen Vertretung der CMB, bewarb, hatte ich nur eine vage Vorstellung von den Arbeiten, die dort auf einen zukommen würden. Berufsbilder für das Umfeld der Lochkartentechnik waren noch nicht vorhanden. (Es hat auch später nie verbindliche gegeben)
  • Mein neuer Arbeitsbereich in der EXACTA war die Abteilung Verkaufsförderung. Für mich war der Name ebenso wie die Aktivitäten dieser Abteilung unbekannt.

    Die Aufgabe der Verkaufsförderung war es, die Verkäufer in den Geschäftsstellen fachlich zu unterstützen.

    Die Verkaufsförderung bestand als ich dort hinzukam aus vier Mann und einem Sekretariat. Wir hatten eigene Büroräume in der Innenstadt von Köln weitab von der Firmenzentrale. Jeder der vier Kollegen, die ich dort vorfand, betreute mit seinem Spezialwissen eine Zielgruppe des Unternehmens: Öffentliche Hand, Handel, Industrie und Finanzwesen. Da ich Versicherungsmathematik studiert hatte, sollte ich den Kollegen unterstützen, der als Finanzkaufmann seine Schwerpunkte bei den Geldinstituten sah. Ich sollte mich mittelfristig als Versicherungsspezialist nach außen bekannt machen.

    Meine ersten Tätigkeiten waren jedoch sehr einfacher Art. Ich mußte für die neuen Kollegen die von ihnen skizzierten Arbeitsabläufe für die Lochkartenorganisationen mit Tuschefedern und Schablonen auf Kopiervorlagen reinzeichnen. Dies war zwar keine geistige Herausforderung, mir brannten sich aber dadurch Arbeitsfolgen der Lochkartentechnik für immer ins Gehirn ein.

    Die Marktstrategie von BULL in Deutschland war, nicht Maschinen sondern betriebswirtschaftliche Lösungen zu verkaufen, für die dann allerdings BULL Lochkartenmaschinen not wendig waren. Die Folge daraus war. Daß unsere Angebote weniger aus Maschinenprospekte bestanden als vielmehr aus detaillierten Organisationsvorschlägen. Diese Angebote waren fachlich hochqualifizierte Ausarbeitungen.  Dies wurde z.B. einmal dadurch deutlich, daß eine namhafte Deutsche Bausparkasse sich nicht für die Maschinen von BULL entschied, jedoch DM 30.000 überwies, weil sie das von uns entwickelte Organisationskonzept auf den Maschinen der Konkurrenz realisieren wollte.

    (Ein solch faires Geschäftsverhalten wird man heute wohl nicht mehr erwarten dürfen.)

    Die besondere Stellung unserer Abteilung konnte man damals daran sehen, daß wir außergewöhnliche Privilegien hatten. Unser Werksausweis gestattete uns jederzeit das Betriebsgelände zu betreten. Die Geschäftsleitung erwartete allerdings dafür auch von uns, daß wir nicht die tariflichen Arbeitszeiten einhielten. Bei unserer regen Reisetätigkeit gehörten wir wohl zu den jüngsten Reisenden in der ersten Klasse. Ich hatte damals den Eindruck, daß das Durchschnittsalter der dort Mitreisenden um mindestens zwanzig Jahre höher lag. Wir waren dann auch die erste Gruppe nach der Geschäftsleitung, die Anfang der 60er Jahre einen Dienstwagen erhielten, der auch für die private Nutzung zur Verfügung stand.

    Mir wurde schnell bewußt, daß mein zunächst unbekannter Weg in eine Welt führte, die von den Außenstehenden als Geheimwissenschaft und respektfordernd betrachtet wurde.

    Dieses Image wird heute immer noch zum Leidwesen ihrer Unternehmen gepflegt. Die IT-Abteilungen sehen sich immer noch als Mitarbeiter, für die die allgemeinen Regeln und Methoden des Unternehmens nur bedingt gelten. Die modernen CIOs, Chief Information Officer, werden immer noch als die Hoffnungsträger für die technologische Zukunft der Unternehmen angesehen, obgleich immer wieder offenbar wird, daß sie allzu oft die Erwartungen, die sie selbst aufgebaut haben, nicht in dem versprochenen Rahmen halten können.

    Das Geheimnis der weißen Kittel.

  • Als zu Ende der 50er Jahre die ersten Lochkartenmaschinen in den Unternehmen auftauchten, erschien auch eine neue Kaste von Mitarbeitern. Es war eine Gruppe von Mitarbeitern, die zum Arbeiten weiße Kittel anzogen.
  • Diese neuen Götter in Weiß bedienten die mausgrauen Lochkartenmaschinen. Auf den Brusttaschen der Kittel prangte das Logo der IBM. Aus den Brusttaschen schauten immer einige bunte Lochkarten heraus. Die Männer in Weiß benutzten keine Notizblöcke mehr, sondern notierten auf den Leerkarten.

    In den Stand der weißen Kittel wurde man nicht nach einem Studium auf einer Universität aufgenommen. Die Berechtigung, die weißen Kittel zu tragen, wurde von Lieferanten der Lochkarten verliehen. In 5 bis 8 Wochen wurden dort das Wissen und die manuelle Technik für die Programmierung und die Bedienung der diversen Lochkatenmaschinen geschult. Die Dimensionen der Maschinen spiegelte sich in der Hierarchie der Mitarbeiter im Maschinensaal wieder: Locherin, Prüferin, Sortierer, Mischer, Tabellierer.

    Die Locherinnen hatten die Aufgabe, die Inhalte der normalen Geschäftsbelege in die Lochkarten zu übertragen. Um Fehler zu vermeiden, wurde in einem zweiten Arbeitsgang auf einem sogenannten Prüflocher geprüft, ob die Übertragung richtig erfolgte.

    Auf der Sortiermaschine wurden dann die Lochkarten in die notwendige Reihenfolge gebracht. Dazu mußten z.B. alle Karten zehnmal durch Sortierer laufen, wenn nach einem zehnstelligen Begriff sortiert werden mußten.

    Bevor ein Kontoauszug dann auf der Tabelliermaschine gedruckt werden konnte, mußten die sortierten Umsatzkarten mit den Saldenkarten auf dem Mischer zusammengemischt werden.

    Nicht nur aus heutiger Sicht sieht die damalige Lochkartentechnik kompliziert und aufwendig aus. Die damaligen Buchhalter wehrten sich gegen die moderne Technik mit dem Argument: Bevor ihr die Karten gelocht und geprüft habt, haben wir die Buchungen manuell erledigt und sind bereits auf dem Heimweg.

    Es ist deswegen nicht verwunderlich, daß die ersten großen Lochkartenanlagen in den Versicherungen genutzt wurden. Hier konnten die einmal erstellten Lochkarten über Jahre hin genutzt werden, um die immer wiederkehrenden Jahresprämien zu erstellen.

    Weil sich die Arbeit der Mitarbeiter in den weißen Kitteln, so geheimnisvoll und für den normalen Büroangestellten nicht nachvollziehbar war, wurden sie schon bald wie moderne Medizinmänner respektiert.

    Der Nimbus der Medizinmänner hat sich bis heute für den IT-Bereich erhalten.

    Das Bildungsideal der deutschen Intelligenz oder mit Unwissenheit protzen.

  • In Talkshows aber auch im privaten Gespräch muß man immer wieder beobachten, daß angesehene Gesprächtspartner voller stolz und ohne Scham sich dahingehend outen, daß sie auf der Schule in Mathe eine absolute Niete waren. Im Gegensatz dazu hat aber noch niemand öffentlich zugegeben, daß er Bach nicht von Beethoven unterscheiden kann. An dieser Stelle soll nicht untersucht werden, was in unserem Bildungswesen falsch läuft, das solche Äußerungen hervorruft. Es soll vielmehr auf die Folgen hingewiesen werden, die sich dadurch heute in vielen Unternehmen im Verhältnis von Management und IT zeigen.
  • Das Topmanagement in den Unternehmen setzt sich in der überwiegenden Mehrzahl aus Betriebswirten und Juristen zusammen. Sie gehören also zu dem Kreis, der im vorstehenden Kapitel beschrieben wurde.

    In vielen Gesprächen mit Managern mußte ich feststellen, daß diese, man kann wohl sagen, angeborene Angst vor allem, was irgendwie nach „Mathe“ aussieht, zu einem überhöhten Respekt vor dem Computer und allem, was damit zu tun hat, führt. Diese Haltung wird dadurch gefördert, weil allgemein die unberechtigte Annahme vorherrscht, daß die Beherrschung der Computer mathematische Kenntnisse voraussetzt.

    Diese Scheu vor der Mathematik und den Naturwissenschaften wird dann von den IT-Spezialisten dadurch verstärkt, daß sie sich einen eigenen Sprachraum geschaffen haben. Alle die unter der Mathe-Phobie leiten und die nicht das Computer-Englisch beherrschen, fürchten allzu häufig, daß sie durch ungeschickte Fragen ihre computertechnischen Kenntnisse gegenüber ihren Mitarbeitern allzu offen zeigen könnten.

    Dadurch gewinnen die IT-Spezialisten in den Unternehmen ein Ansehen, das sie gerne wie die Auguren im alten Rom ausnutzen.

    Wie kein anderer Bereich im Unternehmen  verstehen sie es, der Unternehmensleitung klar zu machen, daß nur die modernste und neueste Soft- und Hardware eine optimale Datenverarbeitung gewährleisten kann. Die Folge davon ist, daß Methoden und Techniken schneller gewechselt werden als es der Return of Investment zu lassen dürfte. Ein anderes Beispiel dafür ist, daß in der Softwareentwicklung ein Methoden- Arbeitsstil gepflegt wird, der dazu führt, daß die geplanten Kosten und Termine fast regelmäßig überschritten werden.

    Diese und ähnliche Erscheinungen im Verhältnis IT-Bereich zum Rest in den Unternehmen läßt sich nur daraus erklären, daß das Management sich scheut, Fragen zu stellen, die vielleicht ihre Mathe-Phobie als Unkenntnis erscheinen lassen.

    Leben aus anderer Leute Ersparnisse

  • Bis in die jüngsten Tage hat die Softwareentwicklung ein gebrochenes Verhältnis zur innerbetrieblichen Kostenrechnung. Dies kommt daher, daß sie ihren Preis nicht an ihren Kosten maß, sondern an den Ersparnissen, die durch die Nutzung der Software beim Anwender entstanden. Dies läßt sich bis heute an der Lizenzmethodik der Softwarehäuser verfolgen.
  •  Wenn wir in der Vergangenheit Softwareangebote erstellten, dann war ein wesentlicher Punkt bei der Preisfindung die Einsparung in den Personalkosten, die beim Kunden durch die Nutzung der Software erzielt werden konnte. Dies erklärt auch warum die Kosten der Software im gleichen Verhältnis wie die der Hardware anwuchsen.

    Es ist in der Tat so, daß die Kosten der Hardware mit der Anzahl der Daten zunehmen, die auf der Anlage zu verarbeiten sind. Für den Nichtfachmann erscheint es deswegen sinnvoll, wenn auch die Softwarekosten proportional zu den Daten steigt, die von der Software verarbeitet werden. Dies ist jedoch nicht so. Der Aufwand für eine Software wird alleine durch ihre Software bestimmt und nicht durch die Zahl späterer Vorgänge.

    Ob ich ein Buchhaltungsprogramm für 1000 Buchungen oder für 10000 Buchungen im Monat schreibe, hat auf die Erstellungskosten keinen Einfluß, solange die Funktionalität die gleiche bleibt. Einen vergleichsweise geringen Einfluß hat die Masse der Vorgänge auf die Erstellungskosten einer Software, wenn wegen Zeit- oder Hardwarelimitierung eine Optimierung der Software erfolgen muß. Daß diese Orientierung der Preise am Anwendernutzen üblich ist, zeigte sich deutlich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dort waren die Softwarepakete für die Kleinanlagen von Nixdorf, Kienzle etc. wesentlich preiswerter als gleichartige Software auf den Mainframe-Anlagen.

    Wie ungewöhnlich die Preisfindung für Softwarelizenzen ist, zeigt folgendes fiktive Verkaufsgespräch beim Buchhändler:

    Buchhändler: “Sie nehmen also dieses Buch?“

    Kunde: „Ja.“

    Buchhändler: „Damit ich Ihnen den Preis sagen kann, müssen Sie mir angeben wie viele Mitglieder Ihre Familie hat, die lesen können.“

    Kunde: „4“

    Buchhändler: „Pflegen Sie Ihre Bücher an Freunde zu verleihen?“

    Kunde: „JA“

    Buchhändler: „Dann errechnet sich der Preis für das Buch: Grundpreis x (1 + 4 x 0,5 + 3 x 0,25)“

    Kunde: legt das Buch aus der Hand und geht.

    Sie sagen, der Vergleich hinkt? Ein Buch ist durchaus mit einer Software zu vergleichen. Sie wird einmal originär geschrieben und kann dann mit minimalem Aufwand beliebig oft kopiert werden. Durch das mehrfache Lesen eines Buches entstehen dem Autor, Verleger und Buchhändler keine zusätzlichen Kosten, die Ihnen zu erstatten wären. Das gleiche gilt auch beim Kopieren einer Software. Wenn dies nicht so wäre, dann könnten die Vermögen der führenden Softwarehäuser im Vergleich zu anderen Industrien nicht so rasant steigen.

    Heinz Nixdorf verhilft den Bull Maschinen in Deutschland zum Durchbruch oder ein Taschenrechner so groß wie ein Schrank.

  • Zu Beginn der 60er Jahre wurde im Bereich der Datenverarbeitung nur Hardware verkauft bzw. vermietet. Der Begriff Software war noch nicht geschaffen.  Der Bedarf an Hardware wurde in Deutschland auf dem Gebiet der Lochkartenmaschinen durch drei Anbieter gedeckt: IBM Deutschland, Bull Deutschland und Remington Rand, der späteren UNIVAC. Von diesen drei war die IBM Deutschland, man kann sagen mit langer Tradition und großem Abstand zu den anderen, mit ca. 90% Marktanteil der Marktführer. Verwunderlich war, daß jedoch auf dem  Gebiet der Geldinstitute die IBM ihre absolute Vorherrschaft an Bull Deutschland abtreten mußte. So konnte z.B. Bull im südhessischen Bankenbereich auch ohne Markenimage die Marktführerschaft übernehmen. Dies konnte nur geschehen, weil zwei Unternehmerpersönlichkeiten mit sich ergänzenden Eigenschaften zusammen fanden: in Köln war dies Hans Bringer, Geschäftsführer der Bull Deutschland GmbH, der seine beruflichen Erfahrungen zunächst in den Geldinstituten sammelte, und Heinz Nixdorf, der als abgebrochener Physiker in Essen sein Labor für Impulstechnik betrieb. Die beiden wurden durch einen Kriegskameraden von Heinz Nixdorf, Hans Braun, zusammengeführt, der Prokurist bei Bull Deutschland war.
  • Hans Bringer erkannte, daß die Lochkartenlösungen, die IBM den Geldinstituten anbot, nicht die Anforderungen dieser Gruppen erfüllten. IBM konnte mit ihren Tabelliermaschinen in angemessener Zeit nur Additions- und Saldierungsaufgaben durchführen. Für Rechenaufgaben höheren Grades, wie sie z.B. bei der Zinsberechnung notwendig sind, waren die mechanischen Rechner zu langsam. Auch waren sie noch nicht in der Lage Alfa-Texte im normalen Rechengang zu drucken. Nicht zu unrecht argumentierten die Hersteller der Buchungsautomaten, in der Zeit, in der die Lochkarten gelocht, geprüft, sortiert, gemischt abgestimmt werden, habe wir die Buchungen schon lange abgeschlossen.

    Die Lochkartenmaschinen der Compagnie de Machine BULL, die Hans Bringer aus Frankreich bekam, konnten mit gleicher Geschwindigkeit Text drucken und Zahlen Saldieren. Bei Multiplikationen und Divisionen ging jedoch die Schreibgeschwindigkeit der Maschine erheblich zurück. Ferner lieferte Bull den ersten Lochkartensortierer, bei dem die Fachansteuerung elektronisch durch Röhren angesteuert wurde. Durch diese Technik wurde die Sortierleistung gegenüber den mechanischen Sortierern der IBM um ein vielfaches gesteigert.

    Hans Bringer erkannte diese Vorteile von Bull gegenüber IBM. Er wußte aber auch, daß diese moderne Maschine zwei wesentliche Anforderungen der Geldinstitute nicht erfüllen konnten: eine schnelle und zuverlässige Abstimmung des Buchungsstoffes und eine Zinsberechnung bei voller Schreibgeschwindigkeit der Tabelliermaschine (9.000 Umsätze pro Stunde). Ihm schwebte vor, die vorhandenen Bullmaschinen durch elektronische Rechenelemente, wie sie damals aufkamen, zu ergänzen.

    Und hier kam Heinz Nixdorf über den Prokuristen Hans Braun, ein Kriegskamerad von Nixdorf, ins Gespräch.

    Nixdorf entwarf, baute und lieferte die elektronischen Saldierer und Multiplizierer, mit denen er die Anforderungen von Hans Bringer erfüllte.

    Die beiden Maschinen hatten zunächst einen großen Vorteil: sie konnten über die Schalttafeln von Sortier- und Tabelliermaschine angeschlossen werden, ohne daß an diesen eine Änderung vorgenommen werden mußte.

    Der Elektronen Saldierer wurde an die Sortiermaschine angeschlossen. Theoretisch konnte er an jede Bullmaschine angeschlossen werden, die über Schalttafeln gesteuert wurde. Der Saldierer addierte entsprechend der Geschwindigkeit des Sorters bis zu 40 000 Umsätze getrennt nach Soll und Haben. Am Ende einer Abstimmgruppe saldierte er die Werte. Glichen sich soll und Haben nicht aus, stoppte die Maschine und der Bediener konnte die als falsch erkannte Gruppe zur Prüfung herausnehmen. Aus heutiger Sicht ist interessant zu erfahren, daß Nixdorf dafür eine Elektronik baute, für ein Kasten von etwa 130X60X60 cm notwendig war.

    Der Multiplizierer war nach dem gleichen Prinzip wie der Saldierer gebaut, beherrschte darüber hinaus aber noch die Multiplikation und die Division. Ferner konnte er noch aus einer Lochkarte mehrere Werte aufnehmen und mehrere Rechenergebnisse gleichzeitig zum Drucken an die Tabelliermaschine oder den sogenannten Summenstanzer abgeben. Mit Hilfe der Kombination von Bull Tabelliermaschine und Multiplizierer von Nixdorf konnte erstmalig die Zinsstaffel und – abrechung mit einem vertretbaren Zeitaufwand voll maschinell und vor allem preiswert erstellt werden.

    Der Elektronen Multiplizierer war ein riesiger Schrank der knapp 2000 Radioröhren umschloß. Die Röhren gaben soviel Wärme ab, daß eine eigene Frischluftzufuhr notwendig war.

    Die Leistung dieses Gerätes läßt sich heute spielend in einen Rechner von Scheckkartengröße unterbringen.

    An dem vorstehenden Beispiel wird deutlich, wie sich Entwicklungsansätze in der IT geändert haben.

    Hans Bringer wußte um die organisatorischen Probleme in den Geldinstituten und suchte bzw. regte technische Lösungen an. Die Anwendung gab den Anstoß für die technischen Entwicklungen. Heute werden die Rechner zunächst auf der Grundlage neuer technischer Möglichkeiten entwickelt. Auf der Basis der vorhandenen neuen Technik werden dann die organisatorischen Anforderungen gesucht, die mit der neuen Technik verbessert bzw. erstmalig gelöst werden können.

    Wie vor ca. 50 Jahren die Anwendung zu neuen Techniken führte, zeigt auch das folgende Beispiel, zu dem auch Hans Bringer den Anstoß wird gegeben haben.

    So störte es die Banker, daß die Lochkartentechnik zwei Arbeitsschritte erforderte, die in der manuellen Abwicklung nicht erforderlich waren: Lochkarten Erstellen und Lochkarten Prüfen. Es wurde deswegen von Bull Deutschland zusammen mit den Olympia

    Werken eine Kombination von Addiermaschine und Locher entwickelt. Mit dieser Kombination konnte die Prima-Nota/Grundbuch und die Lochkarten in einem Arbeitsgang erstellt werden. Zur Abstimmung wurden dabei die Additionsstreifen verwendet, die zusammen mit den Belegpaketen angeliefert wurde.

    Der damalige Erfolg der Bull Deutschland bei den Geldinstituten lag darin, daß Bull optimale organisatorische Lösungen verkaufte, für die dann  die Technik von Bull erforderlich war.

    • Mit dem IBM System 1401 kam der Durchbruch der Computer.
  • Ich erinnere mich noch daran, daß auf einem der Qx-Treffen der Versicherungsmathematiker des Kölner Raumes Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts von einem Vertreter der IBM ein neuer Rechner IBM/1401 vorgestellt wurde. Die Bedeutung dieser Maschine wurde weniger als selbstständige Anlage dargestellt sondern als Datenaufbereiter für die Großrechner der IBM 7000er Serie. Es zeigte sich jedoch bald, daß die IBM 1401 durchaus als eigenständiger Rechner genutzt werden konnte.
  • Aus heutiger Sicht war die Programmierung ein Albtraum. Der eigentliche Rechner hatte maximal 16K Stellen á 6bit und war nicht fest strukturiert. Der Programmierer mußte die einezelnen Daten durch sogenannte Wortmarken voneinander trennen. Dies führte zu erheblichem Aufwand, wenn z.B. ein Wert um eine oder mehrere Stellen erweitert werden mußte. Programmiert wurde zunächst mit einem maschinennahen Assembler.

    Der Vorteile der IBM gegenüber den damals üblichen Lochkartenmaschinen lag neben der (beschränkten) Programmierbarkeit vor allem in der Verwendung von Magnetbändern für die Speicherung und Sortierung von Massendaten auf Magnetbändern. Die Lochkarten dienten seit dem nur noch der Datenerfassung und –eingabe.

    Die Arbeitsabläufe bei der IBM 1401 unterschieden sich von denen der Lochkarte nur durch ihre Geschwindigkeit, nicht durch ihre logische Struktur. Beide Maschinen konnten die Daten nur seriell verarbeiten; d.h. zwischen einzelnen Auswertungen waren immer wieder Sortierläufe notwendig.

    Da die IBM zur damaligen Zeit ihr Maschinen nur vermietete und nicht verkaufte mußte sie für jede verkaufte IBM 1401 eine oder mehrere Tabelliermaschinen zurücknehmen.

    Diese zum Teil bereits abgeschriebenen Lochkartenmaschinen warf sie dann zu einem stark reduzierten Mietpreis zurück in den Markt. Mit dieser Billigpreisstrategie öffnete sie mit einem Schlag der Büromaschinentechnik die Tür auch zu kleineren Unternehmen.

    Aus Löcher im Karton werden Bits auf Kunststoffbänder.

  • Es war schon seltsam in der Zeit der Lochkartenmaschinen. Mit Nichtsvorhandenen wurden die Informationen dargestellt. Ein Loch in einer der 90 Spalten einer Lochkarte wurde der Wert einer Dezimalstelle dargestellt. Dabei galt das Sprichwort „Was haben ein Unternehmen oder eine Verwaltung mit den Lochkarten gemeinsam?“ mit der Antwort „Die Nullen stehen zu oberst“.
  • Mit der IBM 1401 zogen die Magnetbandspeicher  als Dauerspeicher für große Informationsmengen in die Unternehmen ein. Die Lochkarten wurden nicht mehr als Dauerspeicher genutzt. Die schweren Lochkartenschränke wurden durch wenige Magnetbandspulen ersetzt. Die 12 Zeilen für die Löcher in den Karten wurden durch 8 Spuren auf dem Magnetband ersetzt und aus den 80 Spalten der Lochkarte wurde das Millionenfache auf einem Magnetband. Gleichzeitig stieg die Lesegeschwindigkeit der Magnetbänder gegenüber den Kartenlesern gewaltig. Was jedoch blieb, war die serielle Verarbeitung der gespeicherten Daten. Eine bestimmte Information auf dem Magnetband konnte nicht in einer vertretbaren Zeit angesteuert werden. Die Arbeitsabläufe verlangten von ihrer Logik her ein ständiges Umsortieren der Daten auf den Magnetbändern. Zu dieser Zeit kämpften die Mathematiker um die schnellste Sortiermethode, 2-, 3- und x-Wege Methode mit und ohne internen Sortiertabellen waren zur damaligen Zeit gängige Leistungsbegriffe in der Werbung. Eine Real-Time-Verarbeitung war nicht möglich. Batch war angesagt.

    Eine Marke beherrscht die Büros

  • Wenn man Ende der 50er und Anfang der 60er Jahren jemanden fragte, ob er wüßte, wer Lochkartenmaschinen herstelle, wurden, sofern er überhaupt die Frage beantworten konnte, zwei Namen genannt: Hollerith oder IBM. Dabei wußten die Wenigsten, daß die IBM aus der Hollerith hervorgegangen war. Mit Hollerith verbanden die Spezialisten Lochkartenmaschinen und mit IBM Schreibmaschinen. IBM war mit circa 80% Marktanteil der absolute Marktführer. Nur wenige Fachleute wußten, daß es für IBM zwei Konkurrenten gab: Remington Rand (USA) und die Compagnie Bull (Frankreich).
  • Die Stellung der IBM in den Unternehmen ihrer Kunden war sehr stark. Dies zeigte sich daran, daß die Mitarbeiter der Kunden in den Lochkartenabteilungen durch weg mit weißen IBM Kitteln herumliefen. Man mußte den Eindruck gewinnen, daß diese Mitarbeiter sich bewußt waren, welche Sonderstellung sie durch ihre Arbeit mit den IBM-Maschinen in ihrem Unternehmen einnahmen. Die Lochkartenstellenleiter der Firmen wetteiferten untereinander, wer die größten und modernsten Anlagen habe.

    Ein Erlebnis beweißt dies: Anfang der 60er Jahre kündigte die IBM zum Wochenende in großen Zeitungsanzeigen eine neue Anlage IBM/360 an. Für den darauffolgenden Montagmorgen hatte ich seit längerem als Vertreter der BULL Deutschland einen Besuchstermin bei dem Lochkartenleiter eines großen Unternehmens in Frankfurt vereinbart. Sofort nach einer kurzen Begrüßung schlug er die Wochendausgabe einer bekannten Zeitung auf, wies auf die Anzeige der IBM und sagte ganz stolz, daß er eine solche Anlage bereits bestellt habe. Er bedauere allerdings, nicht geschafft zu haben, der erste Besteller für die IBM/360 im Frankfurter Raum zu sein. Er sei leider nur der zweite IBM/360 Anwender. Auf meine Frage in welcher Ausstattung er denn die Anlage bestellt habe, antwortete er gelassen, dies sei zunächst nicht wichtig. Die IBM würde schon die für sein Haus notwendige Anlage zusammenstellen und liefern. Die IBM kenne ja durch die langjährige Zusammenarbeit die aktuellen Anwendungen und die organisatorischen Pläne seines Arbeitgebers.  Er und sein Unternehmen vertrauen der Kompetenz der IBM.

    Die Bedeutung des Namens IBM zur damaligen Zeit zeigt auch Folgendes: Fragte man einen Lochkartenverkäufer, was er sich für seine Arbeit wünsche, so wäre die Antwort gewesen: Den Markennamen IBM, die guten Maschinen der Compagnie Bull und die Provisionen von Remington Rand.

     Anwendungen statt Hardware verkaufen.

  • Wie kann man in einem Markt Fuß fassen, der zu fast 90% von einem Anbieter abgedeckt wird? Vor dieser Frage stand Ende der 50er Jahre die EXACTA in Köln, die mit den Lochkartenmaschinen der Compagnie de Machine Bull (CMB), als Konkurrent der übermächtigen IBM auftrat. Zwar hatten die Maschinen boten die Maschinen Vorteile gegenüber denen der IBM. So druckten z.B. die Tabelliermaschinen von Bull wesentlich schneller  als die entsprechenden von IBM. Auch brachte BULL die erste elektronisch gesteuerte Lochkarten-Sortiermaschine mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Karten/Stunde auf den Markt. Zur damaligen Zeit eine echte Sensation. Diese bessere Technik  jedoch konnte nicht die Markentreue zu IBM brechen.
  • Bei der EXACTA in Köln hatte sich nach dem Kriege eine Gruppe von Fachleuten aus Sachsen zusammengefunden. Ihre Erfahrungen hatten sie im Sparkassenbereich und der Buchungsmaschinentechnik gesammelt. Sie kannten die Probleme, die die Geldinstitute besonders drückten. Zwei der wichtigsten waren: Die Soll-Haben Kontrolle vor der täglichen Buchung und die Zinsstaffel mit der Zinsrechnung.

    Hans Bringer, der Geschäftsführer der EXACTA, verließ nun den üblichen Weg, die Organisationen an die Möglichkeiten der jeweiligen Technik anzupassen. Er modifizierte und ergänzte vorhandene Maschinen so,  daß z.B, die oben genannten Probleme gelöst wurden.

    Die Soll-Haben-Kontrolle löste er durch zwei technische Anpassungen.

    • Er ließ eine Olympia-Zweispalten-Addiermaschine mit einem Kartenlocher kombinieren. Das brachte folgende Vorteile:
      - Mit der Erstellung der Lochkarten erhielt er einen Beleg über die erfaßten Karten.
      - Mit der Erstellung der Lochkarten bildete er die Summen von Kontonummer und Betrag
      - Am Ende einer Buchungsgruppe erstellte er eine Summenkarte mit den Summen der Kontennummern und der Beträge.
    • Er ließ von Heinz Nixdorf den sogenannten Elektronen-Saldierer entwickeln. Dieser simple Rechner mit nur zwei Rechenwerke wurde an die schnelle Sortiermaschine von Bull angeschlossen. Während eines Abstimmlaufes mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Karten/Std. wurden die Werte der einzelnen Karten summiert und am Ende einer Abstimmgruppe mit den Werten in der Summenkarte verglichen. Stimmten die Summen arbeitete die Maschine weiter, wenn nicht hielt sie an.
  • Durch diese an die Aufgabe angepaßte Maschinenkombination konnte.  Die Zeit der Buchungsvorbereitung gegenüber den bestehenden Lösungen bei der IBM um ca. 70% reduziert werden.
  • Die Lösung des Problems der Zinsberechnung wurde nach dem gleichen Ansatz gelöst.  Heinz Nixdorf entwickelte den Elektronen-Multiplizierer (EM), der an die BULL Tabelliermaschine angeschlossen wurde. –/Der EM war aus heutiger Sicht nichts anderes als ein überdimensionierter Taschenrechner, der mit der Tabelliermaschinekommunizierte; er kostete damals ca. DM 100.000.\-  Die Einsparung an Zeit gegenüber der IBM, die durch diese Idee erreicht wurde, betrug ca. 50%.

    Der  Ansatz, Lösungen zu verkaufen, zahlte sich für die EXACTA und die spätere BULL Deutschland GmbH aus. Sie erreichte dadurch z.B. bei den Geldinstituten im Rhein-Main Gebiet einen Marktanteil von ca. 80%.

    Bei vielen EDV-Lösungen der Vergangenheit, aber leider auch noch bei heutigen, muß man feststellen, daß die Anwendungen und leider auch oft die Anwender an die Computer angepaßt wurden bzw. werden. Zwei typische Beispiele dafür sind der Fahrkartenautomat der DB AG und die Telefoncomputer bei der Gesprächsannahme.

    Organisationsvorschläge statt Preislisten.

  • Die Strategie, Anwendungen statt Maschinen zu verkaufen, wirkte sich in den Angeboten der EXACTA aus.
  • Vor dem eigentlichen Maschinenangebot  mit den Preisen, fand der Interessent stets einen detaillierten Organisationsvorschlag unter Nutzung der angebotenen Maschinen und eine Kosten- Nutzungsrechnung für die Zukunft.

    Da die angebotene Technik neu war, konnten wir bei vielen Angeboten nicht auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückgreifen. Ich erinnere mich an die Situation, als wir bei der EXACTA das erste Angebot für eine Magnetbandanlage Gamma 60 erstellen mußten. Es stellte sich für uns nicht nur die Frage, wie sind bei der neuen Maschine die optimalen Arbeitsabläufe, sondern wir mußten auch eine geeignete Darstellungsform finden. Der Kunde sollte in einer bildlichen Darstellung erkennen, wie seine organisatorischen Abläufe unter den Möglichkeiten der Magnetbandanlage sein werden.

    Weil es damals noch keine Photokopierer gab, zeichneten wir alle Darstellungen mit Tusche auf Transparentpapier. So konnten wir mit Hilfe der Lichtpausgeräte mehrere Kopien unserer Angebote erstellen.

    Welchen Wert und welche Bedeutung unsere damaligen Angebote für die Kunden darstellten, zeigt folgender Vorfall. Einer großen Bausparkasse in Norddeutschland hatten wir ein Angebot für eine neue Datenverarbeitungsanlage erstellt. Wie bei BULL Deutschland üblich, ging dem eigentlichen Maschinenangebot ein umfangreicher Organisationsvorschlag voraus. Lieder erhielt BULL Deutschland nicht den Zuschlag. Sie erhielt jedoch einen Brief mit einem Scheck über DM 30.000,-.  Mit diesem Betrag sollte der Organisationsvorschlag aus dem Angebot bezahlt  werden, den die Bausparkasse auf der Anlage unseres Mitbewerbers umsetzen wollte.

    Wartung der Software, was ist das?

  • Nicht nur das Wirtschaftslexikon von Gabler definiert Wartung als: „Maßnahme der vorbeugenden Instandhaltung. Zur Wartung werden alle Pflegemaßnahmen von Produktionsanlagen gerechnet wie Reinigen, Abschmieren, Justieren, Nachfüllen von Betriebsstoffen und Katalysatoren sowie ähnliche Maßnahmen zur Verminderung bzw. Verhinderungen von Verschleißerscheinungen.“
  • Folgt man dieser Definition, so dürfte es bei der Software keine Wartung geben, da sie weder verdreckt noch verschleißt.

    Um zu verstehen, warum heute soviel Geld für die Wartung von Software ausgeben wird, muß man in die Anfänge der Datenverarbeitung  zurückgehen.

    Die ersten Computer konnten nur gemietet werden. In der Miete waren die Kosten für die Nutzung der Hardware und der Betriebssoftware enthalten. Zur Sicherung der jederzeitigen Nutzung der Hardware wurden eigene Wartungsverträge abgeschlossen. Die Software für die Anwendungen wurde von den Anwendern selbst erstellt.

    Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre boten die ersten Softwarehäuser an, Software für die Anwender zu erstellen. Parallel dazu wurde versucht, erste Standardsoftware zu verkaufen. Der Vertrieb der neuen Produkte tat sich schwer, weil die Anwender befürchteten, daß die Software nach einiger Zeit nicht mehr funktionsfähig wäre. Die damaligen im Bund Deutscher Unternehmensberater (BDU) zusammengeschlossenen Softwarehäuser sahen sich gezwungen dem Kunden Sicherheit für eine langfristige Nutzung der Programme zu geben. Diese Sicherheit, die unter dem Namen Wartung angeboten wurde, umfaßte die Behebung von Fehler, die nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auftreten sollten und die Änderung bzw. die Ergänzung von Funktionen, die durch den Gesetzgeber gefordert würden.  Wie aber sollte der Preis für eine Leistung kalkuliert werden, die auf der einen Seite im eigentlichen Sinn des Wortes Wartung gar nicht erbracht werden kann und die auf der anderen Seite durch den Gesetzgeber bestimmt wird, also außerhalb des Einflußbereiches der Anbieter lag? Als dann einer in der  Runde des BDUs vorschlug, wie für die Hardwarewartung 15% der Jahresmiete zu nehmen, wurde dieser Preis für alle Zeiten unwidersprochen akzeptiert. Daß die Einnahmen der Wartung wichtiger sein können als der Verkauf neuer Produkte, zeigte lange Zeit die SAG bei ihrem Produkt ADABAS.

    Welche seltsamen Auswüchse die Erwartungen an die Wartung bei den Anwendern erzeugt, zeigt folgende wahre Geschichte: Mein damaliges Softwarehaus war darauf stolz, daß wir über ein Jahr für ein Programm keine überarbeitete Programmversion liefern mußten. Als wir dann aber die Wartungsrechnungen versandten, glaubten einige Kunden, nicht zahlen zu müssen, weil sie keine Leistungen erhalten hätten. Was lernten wir als Softwarehaus daraus? Spätestens 8 Wochen vor der Fakturierung der nächsten Wartungskosten wurde eine neue Programmversion versandt, auch wenn eine Überarbeitung gar nicht zwingend notwendig gewesen wäre.

    Heute holen sich die großen Softwarehäuser ihr Geld beim Kunden nicht mehr über Wartungsleistungen. Die notwendigen updates kommen automatisch über das Internet. Die Einnahmen generieren sich über die Ankündigung neuer Produkte, die sich wesentlich nur durch einen geänderten Produktnamen von dem vorhergehenden Produkt unterscheiden. Hier profitieren die Hersteller der Software von dem im IT-Bereich besonders stark ausgeprägten Hang stets die modernste Hardware und Methodik zu nutzen. In den Fällen, in denen die Kunden von den alten Programmen nicht lassen wollen, wird dann wieder wie vor ca. 30 Jahren Angst der Kunden aktiviert, und die automatische Wartung des Produktes eingestellt. Da, wie jeder Praktiker weiß, auch nach Jahren der Nutzung noch schwerwiegende Fehler in der Software auftreten können, wechselt man dann doch zum „abgesicherten“ neuen Produkt. Viele Softwarehäuser erzeugen Angst vor ihren alten Produkten, damit neue verkauft werden können.

    • Von den Fehlern leben! Wo ist das üblich? In der Software!
  • Es gibt kaum ein Produkt bei dem man so leidensvoll mit Produktfehlern lebt, als mit der Software. Der Softwareanwender wird sogar unruhig, wenn nicht von Zeit zu Zeit ein Fehler auftritt. Wofür zahlt er denn seine Wartungskosten?
  • Der Wesenszug der Software, berechtigterweise Fehler zu enthalten, wurde, wenn ich mich recht erinnere, Anfang der 70er Jahre in einem Urteil des Landgerichtes Trier festgeschrieben.

    In dieser Zeit wurde ich von einem der ersten Rechtsanwälte, die sich auf das Vertragsrecht bei Hard- und Softwaregeschäften spezialisiert hatten, angesprochen, ein Gutachten für einen seiner Mandanten zu erstellen.

    Der anstehende Fall lag wie folgt: Ein kleines Softwarehaus (Damals gab es aus heutiger nur kleine Softwarehäuser) hatte von einem Hardwarehersteller, der frisch auf den Markt gekommen war, den Auftrag erhalten, für dessen Computer ein Betriebssystem zu erstellen. Als das Softwarehaus das Betriebssystem lieferte, stellte sich heraus, daß die Hardware sich in der Zwischenzeit stark verändert hatte. Sie entsprach nicht mehr dem Gerät, das dem Pflichtenheft zu Grunde lag. Für den Hardwarehersteller war das fertige Betriebssystem nicht mehr zu benutzen. Er suchte nun nach einem Grund, um aus seiner Zahlungsverpflichtung heraus zu kommen. Als Grund für seine Zahlungsverweigerung führte er Fehler in der Software an. Eine Nachbesserung räumte er dem Lieferanten nicht ein. Er führte als Grundlage für seine Aussage eine Liste mit 12 Fehlern bei.

    Das Softwarehaus verlangte die Zahlung des ausgemachten Preises und bot gleichzeitig die Behebung der Fehler im Rahmen der Gewährleistung an. Als der Hardwarehersteller jede Zahlung unter Berufung auf eine zu hohe Zahl von Fehlern ablehnte, zog das Softwarehaus vor Gericht.

    Das Gericht zog mich dann auf Antrag des Anwaltes des Kläger als Gutachter mit dem Auftrag hinzu darzulegen, ob die Anzahl der vorgetragenen Fehler bei einem derartigen Softwareprojekt im Rahmen des Normalen liege und ob es in der Branche üblich sei, Fehler, die in einem Abnahmeprotokoll  festgelegt wurden, im Rahmen des bestehenden Vertrages zu bereinigen seien.

    Mein Gutachten lief darauf hinaus darzulegen, daß es für die Qualität eines Softhauses spricht, wenn der Kunde nur 12 Fehler in dem Betriebssystem bei seinem Abnahmetest findet. Daß es üblich war, die in der Abnahme gefundene Fehler in angemessener Zeit zu korrigieren, war an Hand von Beispielen aus der Praxis leicht zu belegen. Das Gericht entschied zu Gunsten des Klägers, sprich Softwarehauses.

    Wie ich später erfuhr, basierten auf dem Spruch des Landgerichtes Trier viele Urteile, wenn Fehler in der Software zu Streitigkeiten vor Gericht führten.

    Ob ich mit meinem Gutachten manchem Programmierer einen Entschuldigungsgrund für seine Schlampigkeit in seiner Arbeit geliefert habe?

    Mittlere Datentechnik MDT. Schlag nach bei Nixdorf!

  • Wenn man heute die graduierten Informatiker fragt, was sie sich unter dem Begriff Mittlere Datentechnik vorstellen können, erntet man nur Unverständnis.
  • Die Mittlere Datentechnik war Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Antwort der deutschen Büromaschinentechnik auf die Lochkartentechnik und die sich daraus entwickelnde Elektronische Datenverarbeitung. Im Nachkriegsdeutschland nahmen die Hersteller von Buchungsautomaten eine führende Stellung in der Welt ein. Die Namen der meisten Unternehmen in diesem Bereich sind heute vergessen: Anker, EXACTA, Triumph-Adler, Wanderer, Kienzle, Philips, NCR, Nixdorf, IBM. Während die Preise der Lochkartenmaschinen und Elektronenrechner im hunderttausender Bereich und höher lagen, waren die Buchungsautomaten und die daraus entstandenen Geräte der Mittleren Datenverarbeitung im zehntausender Bereich zu haben. Damit war die Zielgruppe der Mittleren Datenverarbeitung eindeutig die kleinen und mittleren Unternehmen.

    Als ich 1958 bei der damaligen EXACTA in Köln in den Vertrieb der BULL –Lochkartenmaschinen kam, befand sich unter dem gleichen Dach die Herstellung und der Vertrieb der EXACTA-Buchungsautomaten. So war es mir möglich die Entwicklung der modernen Büromaschinentechniken zu verfolgen.

    Während bei den Lochkartenmaschinen die Steuerung über elektrische Relais erfolgte, wurden die Buchungsautomaten über mechanische Steuerungswalzen gesteuert. Die Buchungsautomaten muß man sich als eine Kombination von den damaligen Schreibmaschinen mit mechanischen Rechenmaschinen vorstellen. Ein wesentlicher Nachteil der Buchungsautomaten war, daß sie über keine Speichermedien verfügten. So mußten z.B. die Kontensalden vor jeder neuen Buchung von Hand erneut eingeben werden. Es ist deswegen nicht verwunderlich, daß als erstes versucht wurde, die Salden der Konten wiedererkennbar zu speichern.

    Die Anker-Werke, Bielefeld, entwickelten deswegen eine Anlage, bei der die Salden ähnlich wie bei den Lochkarten in die Kontenkarte gestanzt wurden. Diese Methode setzte sich längerfristig nicht durch.

    Bei der EXACTA setzte man sofort auf die Elektronik. Dort erinnerte sich der Prokurist Hans Braun an seinen Kriegskameraden aus der Nachtjägerstaffel Heinz Nixdorf, der in Essen in seinem Labor für Impulstechnik u.a. für die RWE arbeitete. Der Geschäftsführer der EXACTA, Hans Bringer, späterer Aufsichtsratsvorsitzender der NIXDORF AG, ließ Streifen von Magnetbändern an den Rand der Kontenkarten zu kleben, um darauf die Kontensalden zu speichern. Ich sehe heute noch in meiner Erinnerung in einer Ecke der Entwicklungsabteilung der EXACTA Frauen Magnetbänder in gleiche Stücke schneiden, die sie dann von Hand auf den Rand der Kontenkarten kleben. Dies war der Beginn der Magnetkonten-Automaten, die etwa zehn Jahre lang in den Buchhaltungen der Unternehmen anzutreffen waren. Dann ersetzten die MDT-Hersteller die Speicher durch Magnetplatten. Die Bezeichnung der Geräte änderte sich mit der Verwendung von Techniken aus der Mainframe in „Büro Computer“. Diese Bezeichnung hatte auch deswegen ihre Berechtigung, weil ihre Geräte nicht in abgegrenzten Rechenzentren standen, sondern direkt am Arbeitsplatz im Büro des Anwenders.

    Die Geräte der Mittleren Datentechnik waren aus heutiger Sicht primitiv. Die Programmierung war sehr eingeschränkt. Bei den ersten Nixdorf Geräten bestand der Hauptspeicher aus Ferro-Magnetstäben, um die die Befehle in Form von dünnen Drähten gefädelt wurden. Eine spätere Korrektur der Programme war so gut wie unmöglich.

    Bei Olivetti erfolgte die Programmierung auf Magnetkarten, die nur eine beschränkte Anzahl von Programmen aufnahmen.

    Erstaunlich ist, daß diese einfachen Geräte so viele Kunden fanden. Das wesentliche Geheimnis lag aus meiner Sicht darin, daß die Hersteller nicht die Hardware in den Vordergrund ihrer Werbung stellten. Sie verkauften ihren Kunden keine Maschinen, sondern Lösungen für deren Anwendungen. Sie verkauften keine Programme oder Standardsoftware, sondern Branchenlösungen. Die MDT-Hersteller waren der Auslöser für den Markt der Standardsoftware. Dieser Markt wuchs so schnell an, daß z.B. ein Verlag zweimal im Jahr einen ISIS Software Report herausgeben konnte, in dem die Softwareersteller ihre Produkte darstellten. So umfaßte die Ausgabe 1. Halbjahr 1988 in zwei Bänden mehr als 1000 Seiten. Allein für das Gebiet des Rechungswesens wurden ca. 900 Programmpakete angeboten.

    Die Zielgruppe der MDT waren kleine und mittelständische Unternehmen. Ein wichtiges Argument der MDT-Anbieter war, daß ihre Branchenlösungen beim Anwender erfolgreich liefen, ohne daß dieser teure EDV-Spezialisten einstellen mußte. Von solchen Lösungen träumt heute immer noch die Mehrzahl der SAP-Anwender.

    Beim Aufkommen des PCs machten die MDT-Hersteller den gleichen Fehler wie die Mainframe-Anbieter als die MDT-Anlagen auf den Markt kamen: sie nahmen sie nicht ernst. Mit dem PC ging nicht nur die Technik der Mittleren Datentechnik unter, sondern auch deren sehr bekannte und namhafte Unternehmen.

    Sie stanzte nur einen Sommer

  • Es muß Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gewesen sein als die IBM auf der Hannover Messe überraschend ein neues Lochkartensystem vorstellte, das sich von allen bisherigen dadurch unterschied, daß die Lochkarte noch nicht einmal halb do groß war wie die bei den bestehenden Systemen. Bestechend war nicht nur die technische Lösung, sondern vor allem der Preis, der auf kleine Unternehmen zielte.
  • Zur selben Zeit versuchte nicht ohne Erfolg die IBM das Segment der Großunternehmen mit dem System „IBM 1401“ zu monopolisieren.

    Wenn ich mich richtig erinnere hatte das System den Namen „System Ten“. (Im Internet fand ich nur eine Stelle, die die Kleinlochkarte der IBM erwähnt, jedoch ohne Produktbezeichnung)

    Das neue System beherrschte die Fachgespräche auf der Messe. Die Mitbewerber der IBM sahen durch dieses neue Produkt ihre sowieso schon geringen Marktanteile schwinden. IBM gewann aus dem Stand heraus viele neue Kunden.

    Als jedoch im Sommer nach der Messe die ersten Systeme geliefert werden sollten, zeigte sich, daß die Anlage nicht die in sie gesetzten Anforderungen erfüllen konnte. Wenn ich mich recht erinnere wurde nur ein System an einen Kunden in Bonn ausgeliefert und kurz darauf wieder zurückgenommen.

    Aus dieser Situation, die zunächst für IBM sehr negativ aussah, machte sie eine erfolgreiche Aktion.

    IBM mußte zu dieser Zeit viele Lochkarten zurücknehmen, weil sie die vermieteten Maschinen durch den neuen Computer IBM1401 bei den Kunden ersetzten. Diese alten, zum Teil sicherlich schon abgeschriebenen Lochkartenmaschinen bot sie den Bestellern des System Ten zu einem stark reduzierten Preis als Ersatz an. Und die Kunden gingen auf dieses Angebot ein. Der Markt für die alten Lochkartenmaschinen wurde durch die Panne mit dem System Ten gewaltig nach unten geöffnet. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn anschließend das Gerücht ging, IBM habe das System Ten nur benutzt, um die alten Lochkartenanlagen erneut vermieten zu können.

    Das Wartungspersonal schlief bei der Maschine

  • In den Anfängen der Lochkartentechnik und Datenverarbeitung wurden die Anlagen nicht verkauft, sondern nur vermietet. Der Mietpreis enthielt sowohl die Kosten für die Wartung der Maschinen als auch alle Ersatzteile. Der Mieter der Anlage verpflichtete sich im Mietvertrag, für das Wartungspersonal und die Ersatzteile einen Raum zur Verfügung zu stellen. Dafür erwarten aber auch die Anwender, daß wenn nötig, die Techniker Tag und Nacht abrufbereit waren.
  • Dies führte zum Beispiel bei den Banken, wenn zum Quartalsende die Zinsabrechnungen auch über Nacht liefen, daß dem Techniker ein Feldbett in seinen Raum gestellt wurde, damit auch in der Nacht eventuell eintretende Maschinenfehler  sofort behoben werden konnten.

    Als fast sakrale Handlungen sahen die Techniker die regelmäßigen Wartungsarbeiten an. Die Kunden mußten die Maschinen zu den von den Technikern festgesetzen Zeiten frei geben. Die Wartungsarbeiten zogen sich nicht selten über einen Tag hin. Es ist dann nicht verwunderlich, daß nach den Wartungsarbeiten die Maschinen nicht immer richtig zusammengebaut wurden und anschließend Fehler auftraten.

    Wie überzeugt die Techniker von ihrer Arbeit waren zeigt folgende Episode:

    Nach einer Wartung meldete ein Kunde eine Fehlfunktion. Der Techniker, ein Franzose, der des Deutschen nicht ganz mächtig war, wollte den Fehler nicht wahrhaben. Er ließ dem Chef des Maschinensaals ausrichten: “Fehler kann nicht sein. Nach Wartung Maschin muß machen!“

    Relais entnommen!

  • Zu den jährlichen Höhepunkten der Datenverarbeitung gehörten zu Beginn der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Hannover Messe. Dort stellten die Hersteller ihre neuesten Anlagen und Anwendungen vor. Langfristig und sorgfältig bereiteten sich deswegen die Hersteller auf die Show vor. Um so ärgerlicher war es darum auch, wenn die Anlagen zu Beginn trotzdem nicht einsatzbereit waren.
  • Auf der ersten Hannover Messe, an der ich teilnahm, wurde von meinem Arbeitgeber die neueste Lochkartenmaschine gezeigt. Am Abend vor dem Eröffnungstag sollten in einem Probelauf die Ausstellungsmaschinen abgenommen werden. Doch das Paradestück des Standes brachte nur falsche Ergebnisse. Die Techniker konnten sich dies nicht erklären, da sie doch am Tag vor dem Versand zur Messe die volle Funktionsfähigkeit festgestellt hatten. Es blieb ihnen trotzdem nicht erspart, die einzelnen Funktionsgruppen der Maschine Schritt für Schritt zu überprüfen.

    Erst als es gegen Mitternacht ging und sie mit ihren Prüfungen im Innersten der Maschine angekommen waren fanden sie an einer Relaisgruppe einen Zettel auf dem stand:“ Relais als Ersatzteil für den Kunden XY entnommen. Gez. NN“.

    Für den Techniker NN war es ein Glück, daß er nicht mit zur Messen durfte. Wer weiß, was seine Kollegen mit ihm gemacht hätten.

    Unbundling war das Tor zum Software-Markt

  • Als zu Beginn der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts die ersten Computer kommerziell eingesetzt wurden, wurden diese Geräte vom Hersteller nicht verkauft sondern nur vermietet.
  • Dies war auch die Zeit als die Begriffe Hardware und Software noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug gefunden hatten. Die Hersteller installierten die Computer bei ihren Kunden, die gleichzeitig Räume für die Techniker zur Verfügung stellten, damit die Techniker jederzeit etwaige Fehler an den Anlagen beseitige konnten. Dieser aufwendige Wartungsservice war in dem Mietpreis für die Anlagen bereits  enthalten.

    In dem Mietpreis war aber auch die Grundsoftware enthalten. Diese Software enthielt neben dem, was wir heute als Betriebssystem bezeichnen, sogenannte Dienstprogramme, die alle Anwender in gleiche Weise benötigten. Zu diesen Dienstprogrammen zählten u. a. Sortierprogramme, Compiler, Texteditoren, Generatoren. Derartige Software wurde als notwendiger Bestandteil zum Betreiben der Computer angesehen. Diese Betrachtung änderte sich in der Mitte der 60er Jahre.

    Zu diesem Zeitpunkt wurden die Mietverträge für die Computer „Unbundled“. Für die Nutzung des Computers, für die Wartung und für das Betriebssystem wurden getrennte Verträge angeboten und oft unter Protest der Kunden abgeschlossen.

    Vor allem durch die vertragliche Trennung von Hard- und Software wurde die Voraussetzung für die Entwicklung einer selbständigen Softwareindustrie geschaffen. Die Softwareindustrie sah in der Trennung von Hard- und Software die Chance, sich über eigene Kunden einen Markt aufzubauen.

    Es ist interessant zu beobachten, wie heute die Softwareindustrie umgekehrt versucht, durch ein „Bundling“ von Hard- und Software den Käufer der Hardware an sich zu binden.

    Nicht alles, was technisch möglich ist, wird vom Markt angenommen bzw. darf realisiert werden.

    Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten wir ein Softwarepaket für die Praxen der Allgemeinmediziner übernommen. Es stammte aus der Konkursmasse eines Softwarehauses, aus der es unser Gesellschafter für seine ausstehenden Forderungen erhalten hatte.

    Für mein Softwarehaus bedeutete dies, daß wir uns kurzfristig mit einer Materie beschäftigten mußte, die uns fremd war. Wir hatten zwar mit dem Softwarepaket die Programmierer dieser Software übernommen, die jedoch mehr von Bits und Bytes als von den Anforderungen an die Organisation einer Arztpraxis wußten.

    Um dieses fehlende Fachwissen auszugleichen, stellten wir eine erfahrene Arzthelferin als freie Mitarbeiterin ein. Parallel dazu gründeten wir eine Anwendergruppe aus Ärzten, die bereit waren, uns aus ihrer Sicht die Anforderungen an ein Arztprogramm zu bechreiben. Wir mußten nämlich die Erfahrung machen, daß nicht alles, was der Programmierer für sinnvoll und notwendig erkennt, in der Praxis wirkungsvoll und zulässig ist. Zwei Beispiele sollen dies erläutern:

    Jeder, sofern er nicht Privatpatient ist, wird die Erfahrung gemacht haben, daß die Wartezimmer der Ärzte durchweg so voll sind, daß lange Wartezeiten entstehen. Wir entwickelten deswegen ein Patienten-Termin-Steuerungs-System, um die Wartezeiten zu verkürzen.

    Als wir diese Software den Ärzten vorstellten, waren wir erstaunt, daß diese nicht nur auf Zustimmung traf, sondern sogar abgelehnt wurde. Die wichtigsten Gründe für die Ablehnung durch die Ärzte, die mit in Erinnerung geblieben sind, waren:

    Ein volles Wartezimmer signalisiert dem Patienten, daß der Arzt viele Patienten betreut, weil er gut ist.

    Das Wartezimmer ist für den Patienten ein Kommunikationszentrum (vor allem alte und alleinstehende Patienten), in dem er über seine Krankheiten und den Erfahrungen mit dem Arzt sprechen kann.

    Der Arzt signalisiert, daß er die Patienten nicht in einem vorgegebenen Zeitrahmen abfertigt.

    Ein anderes Problem, das zwar technisch gelöst werden kann aber bei dem die technische Lösung nicht mit dem Vertragsrecht vereinbart ist, war folgendes:

    Die Ärzte müssen bei ihren Quartalsabrechungen darauf achten, daß sie mit jeder Leistungsart in einem vorgegebenen Rahmen bleiben. Überschreiten sie den Rahmen, müssen sie mit Leistungskürzungen rechnen.

    Die Programme für die Leistungserfassung lassen sich so gestalten, daß sie nicht nur automatisch Hinweise geben, wenn der vorgegebene Rahmen gesprengt wird, sondern auch gleichgelagerte Leistungen automatisch abrechnen, die bei der vorliegenden Diagnose sinnvoll und gleichwertig sind, aber noch nicht den Rahmen ausgeschöpft haben. (Beispiel: statt eines großen Verbandes werden zwei kleine abgerechnet.) Das Programm für den automatischen Leistungstausch mußten wir in zwei trennen: Das erste Programm zeigte die Leistungen an, die den Rahmen überschritten und in einem zweiten Programm konnte die Arzthelferin diese Leistung aus der Abrechnung herausnehmen und durch eine bzw. mehrere andere ersetzen. Die erste und die zweite Lösung führten zwar zum gleichen Ergebnis, waren aber aus der Sicht des Vertragsrechts formal anders zu bewerten.